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ドイツ刑法学研究ブログ

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2005年 05月 28日

Pawlik教授の刑法総論講義(8)

Prof. Dr. Michael Pawlik LL.M. SS 2005
Strafrecht
Allgemeiner Teil I
§ 9 Allgemeine Fragen der Rechtfertigung; die
Notwehr (§ 32 StGB)
A. Tatbestand und Rechtswidrigkeit; Prinzipien der Rechtfertigung
B. Die Notwehr
I. Überblick
II. Die Notwehrlage
1. Die notwehrfähigen Güter
a) Grundsatz
b) Insbesondere: Rechtsgüter des Staates
2. Rechtswidriger Angriff
a) Angriff
b) Rechtswidrigkeit des Angriffs
(1) Der Angriff ist seinerseits gerechtfertigt
(2) Schuldhafter Angriff als Notwehrvoraussetzung?
3. Gegenwärtigkeit des Angriffs
a) Grundgedanke und Definition
b) „Unmittelbares Bevorstehen“
Fall: Der als schnell reagierender Meisterschütze berüchtigte Jimmy Blue will
mit dem Sheriff Buck Legal abrechnen. Er ist ständig auf der Suche nach
seinem Opfer. Eines Tages treffen vor dem Saloon Jimmy Blue und der Sheriff
aufeinander. Buck Legal identifiziert seinen Gegner zuerst, zieht und drückt ab, noch ehe ihn Jimmy Blue erkannt hat. Nur dadurch kommt er zu dem
ersten Schuss, der ihn rettet.
c) „Noch-Andauern“
Fall: Bankräuber B verlässt mit reicher Beute den Kassenraum. Kassierer K
ergreift eine Pistole, stürzt auf die Straße und schießt B ins Bein, als dieser
gerade in das bereitstehende Fluchtauto einsteigt.
Variante: Der Bestohlene hat den Dieb ausfindig gemacht, erscheint am Tag
nach der Tat in dessen Wohnung und nimmt ihm dort gewaltsam die Beute
wieder ab. – Notwehr?
d) Notwehrähnliche Lage
Fall: Im Wirtshaus im Spessart sind abends der Goldschmied Felix Perner aus
Nürnberg und – auf der Reise von ihrem Schloss Mayenburg – die Gräfin
Sandau eingekehrt. Sie belauschen ein Gespräch der Wirtsleute, wonach
nach Mitternacht die Entführung der Gräfin durch eine anrückende
Räuberbande geplant ist. Mit Recht vermuten sie, dass die Räuber die
Stunden bis zur Geiselnahme beim Wein verbringen wollen. Deshalb schüttet
der an Schlaflosigkeit leidende Felix seine mitgeführten Schlafmittelvorräte in
das für den Ausschank bestimmte Weinfass. Die alsbald eingetroffenen
Räuber schlafen infolgedessen Stunden vor dem geplanten Anschlag ein, was
Felix und der ihm dankbaren Gräfin die Flucht ermöglicht.
e) Antizipierte Notwehr“
Fall: Waffenhändler W war von einer ausländischen Geheimorganisation mit
dem Tode bedroht worden und hatte deshalb in seinem Haus eine
Selbstschussanlage nebst entsprechenden Warnschildern anbringen lassen.
Als eines Tages ein zur Tötung W’s entschlossener, schwer bewaffneter
Agent in das Haus eingedrungen war, wurde er durch die Selbstschussanlage
getötet. – Kann W sich auf § 32 StGB berufen?
III. Die Notwehrhandlung
1. Die Abwehr des Angriffs
Fall: Gast A greift im Wirtshaus einen Bierkrug aus dem Regal, um damit auf
den Kopf von Gast B einzuschlagen. B kommt A dadurch zuvor, daß er ihm
mit seinem Wanderstock auf die Hand schlägt. A wird verletzt, der Bierkrug
fällt zu Boden und zerbricht.
2. Die Geeignetheit der Abwehr
3. Die Erforderlichkeit der Abwehr
Fall: A ist Inhaber mehrerer internationaler Rekorde im Mittel- und
Langstreckenlauf. Beim Spaziergang wird er von einem plötzlich aus einem
Gebüsch hervortretenden Mann aufgehalten und zur Auslieferung seiner
Geldbörse aufgefordert. Statt eilig davonzulaufen, wie es ihm leicht möglich gewesen wäre, schlägt er den Angreifer nieder. – Hat er in Notwehr
gehandelt?
Fall: Unter Gastarbeitern war ein Streit mit Tätlichkeiten ausgebrochen. Einer
ihrer Landsleute (A) bemühte sich darum, schlichtend einzugreifen. Nachdem
ihm dies gelungen war, wandten sich die drei ursprünglichen Kontrahenten
gegen ihn und nahmen eine Haltung ein, die das Schlimmste befürchten ließ.
Der Angegriffene gab daraufhin aus einer ohne böse Absicht mitgeführten
Pistole Warnschüsse in die Luft ab; die Angreifer drangen jedoch mit
gezückten Messern und unter Todesdrohungen weiter auf ihn ein. In dieser
Situation senkte er die Waffe, um einem der Angreifer in die Beine zu
schießen: dabei löste sich unversehens ein Schuss, der einen der Angreifer
tödlich in den Unterleib traf. (Nach BGHSt 25, S. 229)
IV. Der „Verteidigungswille“
V. Die Einschränkungen des Notwehrrechts
1. Überblick; Art. 2 MRK
2. Einschränkungen des Notwehrrechts bei Bagatellangriffen
3. Einschränkungen des Notwehrrechts bei Angriffen, in denen ein
krasses Missverhältnis der betroffenen Rechtsgüter besteht
Fall: Der Wirtshausbesucher A ergreift fünf im Regal stehende Bierkrüge und
wirft sie einen nach dem anderen durch das geöffnete Fenster gegen einen
draußen stehenden Laternenpfahl, um aufgrund einer Wette seine
Treffsicherheit zu beweisen. Der Wirt W, kriegsbehindert und auch sonst zu
schwach, um auf andere harmlosere Weise einzuschreiten, verhindert die
weitere Fortsetzung des Happenings durch einen gegen A abgefeuerten
lebensgefährlichen Schuss.
4. Einschränkungen des Notwehrrechts bei Angriffen von schuldlos
Handelnden
Fall: Der aus der psychiatrischen Anstalt entwichene schizophrene S überfällt
seinen von der Arbeit heimkehrenden Nachbarn N hinterrücks mit einem
Messer, weil er N für den Urheber einer gegen ihn gerichteten kosmischen
Dauerbestrahlung hält. A rettet N, indem er im letzten Augenblick vom Fenster
aus den S durch eine lebensgefährliche Schussverletzung ausschaltet.
5. Einschränkungen des Notwehrrechts bei vom Angegriffenen
provozierten Angriffen
a) Absichtsprovokation
Fall: Schon lange möchte A dem B eins auswischen. Anlässlich eines
gemeinsamen Gaststättenbesuchs gelingt es ihm entsprechend seiner
vorgefassten Absicht, den B solange zu ärgern, bis dieser nach einem
Bierglas greift, um damit zuzuschlagen. Durch einen Messerstich in den
Oberarm des B kann A jedoch den Angriff abwehren.
b) Auf andere Weise verschuldeter Angriff
(1) Voraussetzungen
Fall: A und seine Freundin B tauschten in einer milden Maiennacht in den
öffentlichen Parkanlagen Zärtlichkeiten aus. Plötzlich bemerkten sie einen
Unbekannten (U), der, hinter einem Gebüsch versteckt, ihrem Treiben
interessiert zusah. A sprang auf und forderte ihn zunächst mit drohenden
Gebärden auf, seiner Wege zu gehen; als der Unbekannte sich weigerte,
schickte A sich dazu an, ihn in die Flucht zu prügeln. U verteidigte sich, indem
er A mit einem kräftigen Fausthieb außer Gefecht setzte. (Nach BayObLG
NJW 1962, S. 1762)
(2) Zulässiger Verteidigungsumfang
Fall: Nachdem Gastwirt J dem stark alkoholisierten A kein Bier mehr
ausschenken wollte, warf dieser einen Aschenbecher auf J, der ihn daraufhin
in den Schwitzkasten nahm und ins Gesicht schlug. Ein Freund des A half
diesem, sich von J zu lösen und begleitete ihn nach Hause. A nahm sich ein
Tomatenmesser und begab sich erneut zur Gaststätte, um seine dort
zurückgebliebenen Latschen zu holen und J zur Rede zu stellen. Die
Gaststätte war inzwischen geschlossen, doch wurde im Inneren noch gefeiert.
Auf das Klopfen von A öffnete die Wirtin W die Tür und gab ihm seine
Latschen. A fragte in aggressivem Ton, ob J da sei, was W verneinte, um
einen Streit zu vermeiden. W versuchte, die Tür zuzuziehen, was A
verhinderte, der nun noch ein Bier verlangte. Als er W fast aus der Gaststätte
gezogen hatte, versetzte ihm der Gast S einen Stoß und unmittelbar darauf
zwei Faustschläge. A ging im Eingangsbereich zu Boden, rappelte sich aber
wieder auf, woraufhin ihm S einen erneuten Stoß versetzte, der A zu Boden
taumeln ließ. Als A sich wieder aufsetzte, war S neben ihm. Da A fürchtete,
von S erneut angegriffen zu werden und er nicht wieder unterliegen oder
aufgeben wollte, führte er das Messer ohne vorherige Warnung oder Drohung
zweimal gegen S, was zu Stichverletzungen im Oberschenkel und Bauch
führte. - Strafbarkeit des A nach §§ 223, 224 I Nr. 2? (Nach BGH NStZ 2002,
S. 425)
Fall: G wollte sich an M für Beinverletzungen rächen, die er bei einer
Schlägerei erlitten hatte, und gewann C für einen Anschlag, bei dem M mit
einem Schrotschuss ähnliche Beinverletzungen zugefügt werden sollten. C
wusste, dass M ein standfester und gefährlicher Gegner sein würde.
Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan lockte C den M unter dem Vorwand
eines illegalen Zigarettengeschäfts zu einem Treffpunkt in der Nähe eines
Waldrands. Beide erschienen ohne Begleitung. C verbarg eine geladene
Schrot-Doppelflinte mit angesägten Läufen unter der Jacke. M führte einen
Teleskoptotschläger mit sich. C führte den knapp hinter ihm gehenden M in
Richtung Waldrand und entschloss sich, M zunächst mit einem unerwarteten
schweren Faustschlag zu Fall zu bringen, um ihm anschließend mit der
Schrotflinte in das Knie zu schießen.
C setzte deshalb mit geballter rechter Faust zu einer blitzschnellen,
schlagartigen Drehung an. Um den gegen ihn gerichteten Angriff zu stoppen,
versetzte M dem C mit dem Totschläger einen überraschenden wuchtigen
 schweren Schlag auf den Kopf. Dieser traf den C etwa in Schädelmitte und
verursachte eine sofort stark blutende Wunde. Der C wurde durch den Schlag
völlig überrascht, kam zu Fall und blieb auf dem Rücken liegen. Unmittelbar
danach sah er M, den Totschläger in der Hand und erneut zum Schlag
ausholend, auf sich zustürzen mit den Worten: "Du Schwein, dich bring ich
um". C spürte nun Todesangst und zog die Schrotflinte aus seiner Jacke. M
versuchte vergeblich, die Waffe wegzutreten. C nahm sie in beide Hände und
drückte ab, obwohl er damit rechnete, dass der M nun nicht nur schwer
verletzt, sondern sogar tödlich getroffen werden könnte. Das aber nahm er
angesichts seiner Lage billigend in Kauf. Er traf den M aus einer Entfernung
von ca. 30 cm in die Brust. M brach zusammen und verblutete kurz darauf
noch am Tatort. – Strafbarkeit des C nach den §§ 212, 222? (Nach BGH NJW
2001, S. 1075)
6. Einschränkungen des Notwehrrechts bei Angriffen innerhalb enger
Gemeinschaftsverhältnisse
Fall: A war seit 1997 mit dem M verheiratet. Nach der Eheschließung kam es
häufig vor, dass M - vor allem unter Alkoholeinfluss - die A und ihre Tochter
aus erster Ehe (K) mit Fäusten schlug. Ab 1999 war M zudem dazu
übergegangen, die K sexuell zu missbrauchen. A war wiederholt aus der
ehelichen Wohnung ausgezogen, aber immer wieder zurückgekehrt.
Am Abend des 17.5.2000 kam es wieder zum Streit. Eine Möglichkeit, die
Wohnung unbehelligt mit ihrer Tochter verlassen zu können, sah die A nicht,
ebenso wenig die Möglichkeit, andere zur Hilfe zu rufen. Andererseits war sie
aber nicht mehr bereit, sich alles von M gefallen zu lassen. Die A ging daher in
die Küche, nahm ein 25 cm langes, spitzes Küchenmesser an sich und kehrte
ins Wohnzimmer zurück. Sie blieb zunächst im Türrahmen stehen. Sie hoffte
zwar, M würde beim Anblick des Messers zur Vernunft kommen, sie war aber
bereit, das Messer gegen M einzusetzen, falls er K angreifen würde, auch
nahm sie in Kauf, dass sie ihm möglicherweise tödliche Verletzungen zufügen
könnte.
Als M die mit einem Messer bewaffnete A sah, erhob er sich, wandte sich
brüllend in Richtung K und ging auf diese zu. Die A, die aus Erfahrung wusste,
dass A nun auf K einschlagen würde, ging ihrerseits auf M zu, der stockte, als
er die A bemerkte, einen Schritt zurückwich, strauchelte und auf das Sofa
zurückfiel. Die A, die befürchtete, M würde, wenn er wieder hochkäme, auf sie
losgehen, stach dreimal hintereinander in M's linke Brustseite. Einer der Stiche
durchstieß das Herz. - Strafbarkeit der A nach § 212? (Nach BGH JZ 2003, S.
50)
7. Handeln von Hoheitsträgern
Fall: Der Polizeibeamte P wird bei der Kontrolle der Straßenprostituierten S
von einer Rockergruppe umstellt, deren Anführer A den P und die S auffordert,
sich zum Spott der sich ansammelnden Zuschauer auszuziehen. Als P und S
dieser Aufforderung nicht nachkommen, beginnen die Rocker auf Befehl des
A, P und S zu entkleiden. Als P’s Gegenwehr nichts mehr hilft, schießt er aus
nächster Nähe mit seiner Dienstpistole so auf A, dass der Schuss – wie P
erkennt – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird.
A bricht tot zusammen.
VI. Notwehr bei Fahrlässigkeitstaten
Fall: In der Tatnacht schliefen der 66jährige, an einem Bandscheibenleiden
und einer Handgelenksarthrose leidende A und seine Lebensgefährtin P in
ihrer Wohnung. A hatte vor dem Zubettgehen ein Schlafmittel eingenommen.
Gegen 0.45 Uhr läutete der betrunkene Schwiegersohn der P, V, an der
Haustür, stürmte nach deren Öffnung bis zur Wohnungstür des A und trat
diese gewaltsam ein. V hatte eine BAK von 2,2 Promille; er neigte in
alkoholisiertem Zustand zu Gewalttätigkeiten und hatte zuvor andernorts eine
Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau gehabt. Nachdem V in die Wohnung
eingedrungen war, packte er die P, zog sie am Nachthemd und an den
Haaren in das Treppenhaus und zerrte sie nach und nach die Treppe
herunter. Daraufhin lief der A in sein Schlafzimmer und nahm dort einen mit
einer Patrone geladenen Revolver aus dem Nachttisch. Dabei ging er
fälschlicherweise davon aus, der Revolver sei nicht geladen. Als er in das
Treppenhaus zurückkam, lag die P auf dem Rücken, V beschimpfte und
bedrohte sie, zog sie an den Haaren und trat mit den Füßen auf sie ein. Um
weitere Körperverletzungen zu verhindern, richtete A aus einer Entfernung von
weniger als 2 Metern den Revolver auf den V und zog den Abzug durch. Er
hoffte, V werde erschrecken und von seinem Opfer ablassen. Indessen löste
sich ein Schuss, der V tödlich traf. - Strafbarkeit des A nach § 222 StGB?
(Nach BGH NStZ 2001, S. 591)
Zur Vertiefung:
Jakobs, AT, 11. Abschnitt, Rdn. 1-6a, 12. Abschnitt
Roxin, AT 1, §§ 14 I-V I, 15
Geilen, Jura 1981, S. 200 ff., 256 ff., 308 ff., 370 ff.
Kühl, JuS 1993, S. 177 ff. (Grundgedanken der Notwehr)
Sternberg-Lieben, JA 1996, S. 129 ff., 299 ff., 568 ff.
Stuckenberg, JA 2002, S. 172 ff.
Zieschang, Jura 2003, S. 530 ff.

by strafrecht_at | 2005-05-28 16:10 | Pawlik


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